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CHRISTINE MOLDRICKX:

Fata Morgana

13. September - 17. Oktober 2019

Unter dem Titel Fata Morgana zeigt Christine Moldrickx in galerie januar eine Auswahl ihrer neuesten, 2019 entstandenen Arbeiten. Im Gegensatz zu ihren skulpturalen Objekten und Installationen hat sich die Künstlerin in Bochum auf vergleichsweise flache Arbeiten beschränkt: Ähnlich aber wie in ihrem übrigen Werk, das sich der unterschiedlichsten Materialien und Medien bedient, sind auch die beiden Serien, aus denen Christine Moldrickx Beispiele im Erd- und Obergeschoss des Galeriegebäudes zeigt, nicht so leicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Denn man sieht auch hier durchaus Unterschiedliches, ja Heterogenes, nämlich einerseits eine Serie thermografischer Bilder, die sich einem anonymen fotografischen Apparat verdanken, und eine Serie von handgemalten, individuellen Aquarellen andererseits.

 

Was erstens die Thermografien oder sog. Infrarotaufnahmen angeht, so hat sie Christine Moldrickx mithilfe eines kleinen Zusatzgerätes mit ihrem Smartphone fotografiert und die digitalen Daten anschließend auf analogen Diafilm belichtet. Mit Hilfe der Karussells mehrerer Diaprojektoren werden die so entstandenen Lichtbilder nun in ständigem Wechsel unablässig in unterschiedlichen Größen und Rhythmen an die Galeriewände geworfen. Da die Infrarotfotografie Lichtwellen nutzt, die länger sind als diejenigen, die für unser unbewaffnetes Auge sichtbar sind, erscheinen auf den Wänden des Erdgeschosses Wärmebilder mit ihren Falschfarben, wie man sie aus militärischen Zusammenhängen, Waldschadenskartierungen oder auch Gebäudeaufnahmen kennt, welche Wärmeverluste am Dach oder der Fassade aufdecken. Ähnlich wie Röntgenbilder die verborgenen Bilder unseres Körperinneren zeigen, visualisieren die unterschiedlichen Farben thermografischer Bilder mit ihren charakteristischen verschwimmenden Konturen die normalerweise unsichtbaren Temperaturstufen von Ding- und Körperoberflächen, so dass selbst das Alltäglich-Bekannte in ungewohntem Licht erscheint. Ohnehin reichen die Bildeindrücke bei Moldrickx vom gegenständlich Wiedererkennbaren wie beispielsweise einer Katze, einem Auto oder einer Rolltreppe bis hin zu völlig ungegenständlichen Farbanordnungen. Angesichts der Diabilder, deren Motive zwischen Totaler und Nah- und Detailaufnahmen wechseln, kann und soll es dem Betrachter keineswegs immer gelingen, die fotografischen Vorlagen zu entziffern, und nur hier und da wird man nach gegenstandsfreien Farberscheinungen bestimmte Details von Körpern und Dingen erkennen. Häufig meint man vom Äußeren ins Innere der Dinge und Körper zu sehen, obwohl die Thermografien lediglich die Wärme in Form von Infrarotstrahlung an der Oberfläche erfassen oder genauer: die Abstrahlung, welche die Oberfläche umhüllt. Dabei gehört es sicherlich mit zum Überzeugenden der von Christine Moldrickx` gefundenen Präsentationsform der Thermografien als Diashow, dass die Projektoren nicht nur als technisch-anonyme Instrumente der Bilderzeugung zur Geltung kommen, sondern selbst gewissermaßen Lebendigkeit gewinnen, indem sie ihrerseits im Betrieb Wärme erzeugen, welcher die Lüftung im Inneren beständig entgegen arbeiten muss. Angesichts der wechselnden Bilderfolge mag man sich unwillkürlich fragen, ob nicht irgendwann auch der Diaprojektor selbst zum Gegenstand der Fotos wird.

 

Was sodann zweitens die handgemalten Aquarelle angeht, so handelt es sich um eine Reihe DIN A3 großer Blätter aus einem Skizzenblock, die ohne jede Rahmung oder Passepartout direkt an die Wände des Obergeschosses geheftet sind. Sie gehören ganz offensichtlich zusammen und variieren – bei allen Unterschieden im Einzelnen - ein gemeinsames Thema: Denn ihr von Blatt zu Blatt mehr oder weniger deutlich erkennbarer Bezugs- und Ausgangspunkt liegt in der Darstellung eines Donald Duck, wie ihn Christine Moldrickx auf dem Cover eines Malbuchs für Kinder entdeckt hat. Die Darstellung der bekannten Comicfigur hat die Phantasie der Künstlerin offensichtlich nicht allein aufgrund ihres allgemeinen anthropomorphen Charakters und dem überzeichneten, vielfältigen Gesichtsausdrucks geweckt, sondern mehr noch spielt offensichtlich das Besondere der Darstellung eine Rolle, das darin besteht, dass Donald Duck gezeigt ist, wie er mit dem Pinsel in der Hand dabei ist, sich selbst zu malen. Das Selbstreflexive des Selbstbildnisses der Ente als Künstler ist das Entscheidende. Wie sollte es auch verwundern, dass gerade eine Darstellung, in der im Gemalten der Akt des Malens selbst thematisch ist und das Geschöpfte sich nicht der Hand des Zeichners Carl Barks verdankt, sondern als Schöpfung aus sich selbst heraus gegenwärtig ist, die Künstlerin Christine Moldrickx auf besondere Weise herausfordern und zu einer Reihe von eigenen malerischen Varianten veranlassen kann. In ihren aquarellierten Metamorphosen des Vorbildes, welche unter Beibehalt wesentlicher Merkmale des Cartoons wieder zwischen Total- und Detailansichten der Entenfigur wechseln, findet man zumeist den Pinsel in der Hand mit eben jener Farbe, welche das jeweilige Blatt bestimmt, an herausgehobener Stelle mitgemalt. Auffällig aber ist dabei, dass Christine Moldrickx in ihren Aquarellen den Körper von Donald Duck im Unterschied zur Vorlage gleichsam durchsichtig macht auf sein Innenleben: so sieht man überall durch die Körperhülle hindurch auf sein Knochengerüst und mitunter auf Organe oder beispielsweise eine leuchtend rote Zunge, die auf einem der Blätter als menschlich wirkendes Detail blattbeherrschende Größe gewinnt. Überhaupt sind die Übergänge vom Tierischen ins Menschliche wie vom Äußeren zum Inneren auf den Aquarellen fließend. Gerade in solchen Übergängen bekundet sich die Lebendigkeit und Offenheit von Moldrickx` Darstellungen, und gerade darin auch liegt – über alle Unterschiede hinweg – zugleich doch ein Gemeinsames zwischen ihren Blättern und den thermografischen Bildern.

 

                                                                                            Text: Ulrich Fernkorn


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